Wenn nichts tun zur Superkraft wird

Derzeit begegnet mir dasselbe Thema immer wieder – in unterschiedlichen Ausprägungen bei Kundinnen, Freundinnen, Kolleginnen. Merkte was? Ich muss nicht mal gendern – es sind nur Frauen…

Welches Thema? Der Druck, den wir uns konstant selber machen.

„Jetzt muss ich noch lernen, dass ich gut genug bin“ sagte neulich eine Freundin beim Herbstspaziergang zu mir.

„Ich mache und tue den ganzen Tag – aber keiner merkt es.“ klagt die Kundin.

„Wozu bin ich denn gut, wenn ich das nicht mehr alleine hinkriege?“ fragt die alte Dame von nebenan.

Wir machen unseren Selbstwert von der Wertschätzung anderer abhängig. Wir haben gelernt, „nur die Harten kommen in den Garten“ und holen uns keine Hilfe, weil wir das doch auch alleine schaffen. Oft sind wir geprägt von einer Generation, in der es um Leistung ging – Perfektion als Endziel.

Das führt dann häufig dazu, dass wir uns erschöpft und ausgelaugt fühlen, obwohl objektiv alles in Ordnung ist. Kinder, Job, Beziehung, Haushalt – alles funktioniert. Und dennoch ist da dieser latente Druck, es noch besser hinzubekommen.

„Wer bin ich, wenn ich nichts tue?“

Nicht produktiv bin. Nicht hilfreich. Nicht inspirierend. Nicht kompetent. Bin ich dann noch wertvoll? Oder bin ich nur… da?

Ich selbst habe aktiv lernen müssen, mal still auf dem Sofa zu liegen und NICHTS zu machen. Wie oft wollen wir: das Wochenende sinnvoller nutzen, unsere Inneres aufräumen, fitter werden, achtsamer sein. Bis wir merken: wir rennen nur noch.

Aber wohin eigentlich?

Und warum ist das nun ein typisch weibliches Problem?

Weil wir so viele Rollen gleichzeitig einnehmen: Mutter, Tochter, Kollegin, Chefin, Partnerin, Freundin, Schwester, Nachbarin, Elternsprecherin, Hausfrau, … Und mit jeder Rolle wächst unser Anspruch.

Aus Selbstfürsorge wird Selbstoptimierung.

Aus Motivation wird Druck.

Aus „ich will“ wird „ich muss“.

Und je mehr wir uns anstrengen, desto weniger spüren wir uns.

Gerade bei den Macherinnen, den Meisterinnen der Multi-Tasking-Magie zeigt sich diese innere Antreiberin häufig in allen Lebensbereichen. Sie lesen über mentale Stärke und Ernährung, Erziehung und Karriere. Sie meditieren und fühlen sich schlecht, wenn dabei die Gedanken zurück zur To Do Liste schweifen. Selbst Pausen erfüllen einen Zweck.

Die Wahrheit hinter diesem Optimierungsdrang lautet: Ich will endlich gut genug sein.

Ich will ankommen – am besten bei mir selbst.

Viele von uns haben, ohne es zu merken, verinnerlicht „so wie ich bin, reicht es nicht.“ Irgendwo zwischen Schulnoten, Karriereleitern und „Mach was aus deinem Leben!“ haben wir gelernt: Leistung = Wert. Und schwups, sind wir drin in der Spirale:

  • Wir tun, um zu genügen.
  • Wir leisten, um geliebt zu werden.
  • Wir funktionieren, um nicht zu enttäuschen.

Ich habe neulich meiner Kundin eine besondere Hausaufgabe gegeben: weniger machen. Jedes Mal, wenn sie durchs Haus geht und etwas räumen, putzen oder sonstwie vermeintlich notwendiges tun will, soll sie kurz innehalten und schauen, ob es wirklich nötig ist. Und dann soll sie ihrem inneren Drang widerstehen, und es NICHT machen. 80% ihrer sonstigen Handlungen sollte sie so allerhöchstens machen. Sie soll Dinge auch mal halbfertig stehen lassen und gucken, was passiert. Gut genug statt optimal lautet das Credo der Aufgabe.

Spoiler altert: nach vierzehn Tagen ist die Welt nicht untergegangen! Stattdessen ist sie weiter geworden, leichter, weniger meckerig…

Das ist doch mal eine sehr gute Nachricht! Um dieses Muster zu durchbrechen, brauchst du keine neue Methode, kein weiteres Tool. Nur einen Satz: „ich darf aufhören.“ Einfach so. Ohne Rechtfertigung. Ohne To Do-Liste. Ohne Ergebnis.

Du bist genug. Immer.

Auch wenn du gerade nichts tust. Auch wenn du zweifelst. Auch wenn du einfach nur atmest und den Wolken beim Ziehen zuschaust.

Dein Wert hängt nicht an deiner Produktivität. Nicht an deinem Output. Nicht an deinem „Ich war heute so fleißig!“-Gefühl.

Du bist genug, weil du bist. Weil du fühlst. Weil du lebst.


So und jetzt kriegst auch Du eine Hausaufgabe von mir:

Frage Dich ab jetzt jeden Montag, was Du lassen darfst.

Schluss mit: was kann ich verbessern? Her mit: was kann ich von meiner To Do Liste streichen? Welchen Anspruch kann ich gehen lassen? Welches Muss in ein Vielleicht verwandeln?


Du bist nicht hier, um zu funktionieren. Du bist hier, um zu leben. Mit joie de vivre. Mit Tiefe. Mit Pausen.

Es geht um Lebendigkeit. Vielleicht fängt Dein Lieblingsleben ja gerade dort an, wo die To Do Liste endet?

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charmanter Ratgeber mit fundiertem Wissen für mehr Klarheit, mehr Lebensfreude, mehr du und der chichi-lose Tacheles einer Frau, die sich von Sex & the City zu Desperate Housewives und dann in ihr Lieblingsleben gezappt hat.
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