Ich habe nachgezählt. 22 mal bin ich bisher umgezogen 😅.
Und dabei habe ich erst mit 18 angefangen. 😜 Bis dahin war ich die, die sich von Mama und Papa auch nicht mit der Aussicht auf ein Pony bestechen liess, um von Hannover nach Stadthagen umzuziehen…
Mein erster Auszug war dann aber gleich von Hannover nach Paris. Gut: es war noch mit einem Sicherheitsnetz, weil ich bei meiner grossen Schwester und ihrer Familie eingezogen bin (was auch nicht immer ein Spass war, besonders als ich beim House-Sitting zuviel Futter ins Aquarium geschüttet habe, naja, dann kriegen die halt morgen nichts, und dann am nächsten Morgen der LIEBLINGS-Fisch meines Schwagers mit dem Bauch nach oben trieb…).
Aber ab da hatte ich Blut geleckt! Ein Studium im Ausland musste her. Es wurde dann gleich eins, wo ich jedes Semester umzog, was ganz schön anstrengend war, aber im Studentenalter überschaubare Ausmaße hat und dich automatisch zur lebensechten Selbständigkeit erzieht.
Naja, und im Studium habe ich dann mein 💖 verloren, nicht nur an Frankreich sondern an meinen Franzosen. Bevor unsere Umzugskartons GEMEINSAM in einen Umzugs-LKW wanderten, vergingen dann noch ein paar Jahre und diverse Umzüge in verschiedene Richtungen und verschiedene Länder. Und seitdem leben wir gemeinsam chancen-affin, mit offenen Augen und Ohren für Möglichkeiten, die auf unserem Weg liegen.
Bei 22 Umzügen lernst du nicht nur das Kartons-Packen, sondern auch eine ganze Menge über Neuanfänge.
Und die gibt es ja in unterschiedlichsten Schattierungen: eine Trennung, ein Jobwechsel, oder eben ein Umzug. Manchmal braucht es eben einen Neuanfang.
Hier die Lektionen, die ich so far gelernt habe:
• Ein Umzug ist auch immer eine Chance, dich neu zu erfinden. Die Menschen dort kennen dich noch nicht, sie wissen nichts von dir. Du brauchst ja nicht Deine Identität wechseln (es sei denn, dein Umzug hat einen kriminellen Hintergrund 😁), aber es ist eben ein neuer Anfang für die Person, die du jetzt bist. Ich zB. habe diese Zeit bei Disneyland Paris nach dem Abi als eine Zeit in Erinnerung, in der ich die ganzen Zickereien unter (ehemaligen) BFFs hinter mich lassen konnte, ebenso wie die Hackordnung in der Schule (die Schöne, die Kluge, die Coole,…). Und irgendwie hatte ich auch das Gefühl, dass die Art, wie meine neuen Kollegen und Freunde mich sahen, viel mehr mit der Nina zu tun hatte, die ich tatsächlich war als die Schablone, in die mich die anderen in meiner Heimatstadt gepaust hatten.
• Du kannst auf den Geschmack kommen ☺️. Als wir nach München gezogen sind, und ein Haus gekauft haben, sagten Familie und Freunde: na, jetzt bleibt Ihr aber ja wohl hier. Ganz ehrlich? Ich weiss es nicht. Natürlich treiben uns jetzt noch viel mehr Überlegungen um, denn es geht ja auch um unsere Kinder. Und trotzdem sagen wir, wenn eine opportunity kommt, die uns reizt, dann schauen wir mal. Nicht ist written in stone. Leben ist Veränderung, und wir bleiben grösstmöglich flexibel. Es gibt überall tolle Orte und tolle Menschen.
• Ankommen braucht Zeit. Es gibt so ein paar Reflexe, die ich mit der Zeit entwickelt habe, was die basics sind, an Infrastruktur und Kontakten, die man einfach so braucht, wenn man neu irgendwo hinkommt. Das geht entsprechend schnell. Aber das heimisch fühlen, dauert länger. Ich habe für mich gemerkt, dass diese erste Phase der Eingewöhnung vorüber ist, wenn ich beim Vorbeigehen bestimmte Häuser wiedererkenne oder im Auto nicht mehr wirklich auf das Navi schaue, um irgendwo hinzukommen. Ich mag Menschen und finde es immer interessant, neue Menschen zu treffen. Das fängt beim Bäcker schon an, und da ich mich für Menschen interessiere, ergibt sich häufig schnell ein kleiner Plausch. Es kann sehr wohltuend sein, wenn dich die Verkäuferin jeden Morgen freundlich grüsst. Und der Anfang von heimisch fühlen.
• Meine Heimat ist in mir. Seit meinem 18. Lebensjahr wohne ich also nicht mehr in meiner Heimatstadt. Natürlich bin ich meinen Eltern dort noch sehr verbunden, aber Heimatgefühle kommen mir eher bei norddeutschen Landschaften. Wir haben in meiner Kindheit viele Ferien an Nord- oder Ostsee verbracht, und wenn ich dort oben bin, dann klingen diese schönen Erinnerungen in mir an. Ansonsten ist Heimat für mich aber nicht ortsgebunden sondern sie liegt in mir – und ich brauche natürlich meine 3 Jungs dazu, ab da kann ich mich gut auf meine Umgebung einstellen. Wer hätte schon gedacht, dass ich aus dem Marais-Viertel in Paris mal mit Gummistiefeln im Heidiland lande und meinen eigenen Hühnern mit der Küchenschere die Federn stutze 😂, aber jetzt schweife ich ab, vielleicht ist das mal einen eigenen Newsletter wert: was ich von meinen Hühnern gelernt habe 😏). Diese innere Erdung macht unabhängig und spendet Zuversicht.
• Abschiede sind schwer UND du gehst niemals ganz. Ich will hier nichts verschönen, es gibt fast keinen Umzug, an dem ich nicht Rotz und Schnutte geheult hätte (ausser vielleicht beim Auszug aus dieser scheusslichen Sous-terrain-Wohnung, die meine Eltern für mich bei Hamburg gefunden hatten und in der eines Tages eine Kröte durch den Lichtschacht in mein Badezimmer gefallen war 😱, aber dort fiel mir dann der Abschied von meinen Kollegen schwer). Gleichzeitig bin ich eine treue Seele und weiss, dass ich mit den Leuten, die mir am Herzen liegen, den Kontakt pflegen werde. Und meist ist dieses Bemühen auch beidseitig. Beim Zurückkommen nach Deutschland nach über 20 Jahren im Ausland, habe ich mich von uns 4en am Schwersten getan. “Culture reverse” shock nennt man das, weiss ich heute. Ich hatte damit allerdings schon gerechnet. Ich habe gefremdelt: mit Land und Leuten, schliesslich habe ich sehr gerne in Frankreich gelebt. Da hilft dann nur: durchhalten und mit deinen Freundinnen klönen, wenn dir nach heulendem Elend ist. Heute kann ich sagen, dass ich jede meiner Stationen in mir trage, ebenso wie bestimmte Menschen. Diese Begegnungen und Erfahrungen machen mich zu der Person, die ich heute bin. Das ist schöne Vorstellung, finde ich.
• Du lernst unglaublich viel. Organisation ist einer meiner top skills 😆. Aber du lernst ja auch ganz viel Neues über den Ort, an den du ziehst, über die Menschen, die dort leben, die Sprache, die Kultur, Logistik sowieso. Und über dich. Wie gehst du mit einer Veränderung um? Was fällt dir leicht? Was fällt dir schwer? Ich habe mich in den ersten Jahren im Ausland immer wieder auch mit der Frage nach meiner Identität beschäftigt: wie sieht man “die Deutschen”? Was ist denn eigentlich typisch deutsch. Und: wie deutsch bin ICH eigentlich? Das sind spannende Fragen, ein Perspektivwechsel, der sehr interessant ist.
• Ein bisschen Angst ist immer dabei. Ein bisschen schwingt jedes Mal die Frage mit, ob das jetzt die richtige Entscheidung war. Werde ich es bereuen? Eigentlich passt doch alles. Warum dann alles neu machen? Eine 100%ige Sicherheit gibt es nicht. Ich habe gelernt, diese Gefühle zuzulassen und auszuhalten. Kommt Zeit, kommt Rat. Veränderung ist nie gänzlich angstfrei, aber wenn du diese Angst überwindest, findest du Dinge heraus, die du sonst nie erlebt hättest.
• Mit Familie wird es komplexer, die eigene Haltung zählt. Anfangs passten meine Habseligkeiten in meinen bronze-farbenen Clio, der tapfer durch halb Europa damit fuhr. Dann waren wir zu zweit, zu dritt, zu viert. Valentin wurde in Paris geboren, Lionel in Annecy. Mit Kindern gibt es natürlich viel mehr zu bedenken und zu organisieren. Allein mit der Frage nach dem Schulsystem haben wir uns beim Umzug von Frankreich nach Deutschland sehr lange rumgeschlagen. Und weisst du was? Ich glaube inzwischen, es ist nur mässig relevant, für welches wir uns letzten Endes entschieden haben. Beides wäre gut gegangen. Weisst du warum? Weil es deine Haltung ist, die zählt. Kinder sind die Meister im anpassen. Der Unterschied liegt bei mir: vermittele ich, dass dieser Schritt meine freie Entscheidung ist, ich mich gar darauf freue, und dass ich zuversichtlich bin, dass es schon gutgehen wird, dann überträgt sich das auf alle anderen. Ja, alle meine Umzüge waren freiwillige Entscheidungen, das macht einen grossen Unterschied. Aber selbst bei einer Veränderung, die du jetzt selbst vielleicht nicht so gewünscht hast, kannst du entscheiden, sie anzunehmen und zu schauen, was dabei für dich drin ist.
Was sind deine Erfahrungen mit Neuanfängen im allgemeinen und Umzügen im Speziellen? Hast du dich wieder erkannt? Schreib es mir: bonjour@ninabinvel.com